Wie der Morbus Basedow-Verlauf genau aussieht, ist eine ganz individuelle Sache. Das liegt an vielen unterschiedlichen Faktoren:
- Der eine geht mit seinen Symptomen schneller zum Arzt, der andere „sitzt“ die Sache länger aus, bevor er sich untersuchen lässt
- Manch ein Arzt kommt schnell auf die korrekte Diagnose, der andere vermutet vielleicht erst eine andere Ursache und tappt länger im Dunkeln
- Der eine entwickelt die Symptome plötzlich, der andere fühlt sich erst nach und nach im Lauf der Zeit schlechter
- Der eine verträgt die Medikamente gut, der andere nicht
- Die eine Schilddrüse reagiert sensibel auf die Medikamente, die andere verhält sich widerspenstiger
- Und, und, und …
Was ich sagen will: Wie bei so vielen Themen rund um den Basedow kann man hier keine Pauschalantwort geben. Aber ich kann dir sagen, wie der „rote Faden“ bei den meisten von uns aussieht.
Der Morbus Basedow-Verlauf in einer idealen Welt
Phase 1: „Akutphase“, wie ich sie nenne.
Die Phase, in der Du Symptome verspürst und zum Arzt gehst, der dann die Diagnose erstellt. Meistens wird ein Bluttest gemacht und überprüft, wie deine Schilddrüse im Ultraschall aussieht. Ist die Diagnose gesichert, geht es weiter mit …
Phase 2: Medikamente (Schilddrüsenhemmer und Betablocker)
Am Anfang wird fast immer Thiamazol oder sein naher Verwandter, Carbimazol, gegeben. Dazu ein Betablocker, um das Herzrasen zu bremsen. Hier habe ich die Medikation unter Morbus Basedow ausführlich beschrieben.
Nun kommt es drauf an, ob und wie stark die Schilddrüse auf das Medikament anspringt.
Phase 3: Einstellungsphase
In aller Regel wirkt das Medikament gut und Du musst alle ein bis zwei Wochen zum Bluttest. Während dieser Zeit wird die Dosis so weit angepasst, bis deine Schilddrüse wieder eine normale Menge an Hormonen ausschüttet. Bis es soweit ist, können Wochen bis Monate vergehen.
Phase 4: Langfristige Medikation
Ist die optimale Medikamentendosis gefunden, musst Du deutlich seltener zum Bluttest. In dieser Phase nimmst Du deinen Schilddrüsenhemmer ein und es wird dir prinzipiell so gut gehen wie in deiner gesunden Zeit. Idealerweise.
Phase 5: Ruhender Basedow ohne weitere Medikation
In einer idealen Welt werden die Medikamente nach etwa ein bis eineinhalb Jahren abgesetzt und geschaut, ob der Basedow sich von selbst beruhigt hat. Darauf hast Du eine 50:50-Chance (vor allem, wenn du Du dich nicht nur auf die Medikamente verlassen, sondern deinen Körper auch aktiv unterstützt hast. Zum Beispiel mit einer stressreduzierten Lebensführung, dem Hinterfragen der Ursachen, Yoga, guter Ernährung und Meditation ;)).1

Der Morbus Basedow-Verlauf mit Stolpersteinen
Stolpersteine sind während der Behandlung eines Basedow gefühlt eher der Normalfall als die Ausnahme. Hab keine Angst! Es findet sich für alles eine Lösung. Schauen wir uns an, welche Stolpersteine Dir so begegnen können (ohne Anspruch auf Vollständigkeit).
Du verträgst ein oder mehrere Medikamente nicht oder sie schlagen nicht an
War bei mir der Fall. Allermeistens besteht das Problem darin, dass andere Organe – wie zum Beispiel die Leber – das Medikament nicht vertragen. Mir ist prinzipiell noch nie zu Ohren gekommen, dass die Hemmer nicht wirken. Höchstens, dass zum Wirkungseintritt mal die Dosis erhöht werden musste.
Aber wie gesagt. Wenn zum Beispiel Thiamazol auf die Leber geht oder eine andere schwerwiegende Nebenwirkung auftritt, wird vermutlich das Medikament gewechselt. Meist ist es dann Propycil. Wenn auch das Probleme macht, wird es langsam kniffelig. Als meine Leber auch bei Propycil streikte, schlug mein Arzt mir zunächst Cortison oder eine definitive Behandlung (OP oder Radiojodtherapie) vor. Zum Glück kam er dann noch auf Irenat, das mir die Rettung brachte. Damit hatte es über zwei Monate gedauert, bis ich überhaupt eine funktionierende Medikation hatte.
Deine Symptome sind so heftig, dass keine Zeit zu verlieren ist
Dies ist eher selten der Fall, aber es gibt ihn: Deine Symptome sind so ernst, dass für eine medikamentöse Einstellung keine Zeit mehr bleibt. In diesem Extremfall werden Teile deiner Schilddrüse oder das ganze Organ direkt herausoperiert.2
Der Auslassversuch schlägt fehl und der Basedow kehrt zurück
Der schlechte Ausgang des Versuchs, die Medikamente wegzulassen.
Meistens wird dein Arzt Dir eine OP oder Radiojodtherapie vorschlagen, da es mit dem Rückfall wahrscheinlicher ist, dass dein Basedow sich auch nach einer weiteren Medikamentengabe nicht beruhigt.1
Du hast noch Symptome, obwohl die Medikamente wirken und deine Blutwerte im Referenzbereich sind
Auch das gibt es, da jeder Körper eine andere „Wohlfühlzone“ hat – so wird es mir jedenfalls von ganz vielen Betroffenen berichtet.
Das heißt: Während der eine Körper mit einem ft4-Wert im unteren Normbereich glücklich ist, braucht ein anderer Körper einen Wert „mitten drin“ im Normbereich. Für diesen Körper wäre die untere Grenze des „offiziellen“ Normbereiches quasi schon außerhalb seines individuellen Normbereiches. Das heißt, es kann Dir theoretisch schlecht gehen, obwohl deine Werte auf dem Papier in Ordnung sind. Falls dem so ist, sprich auf jeden Fall mit deinem Arzt.
Es kann sein, dass Du nicht ernst genommen wirst. Davon habe ich auch schon gehört. Lass dich in einem solchen Fall aber nicht entmutigen und hol Dir eine Zweitmeinung! Wenn Du dich nicht wohl fühlst, dann hat dies immer einen Grund! Von eigenständiger Medikamentendosierung ohne ärztliche Absprache kann ich aber nur abraten.
Dein ruhender Basedow erwacht plötzlich wieder
Kann auch passieren, und es ist gar nicht mal so selten. Manch einer hat einen Verlauf des Basedow wie im Bilderbuch gehabt, und die Schilddrüse hat nach dem Auslassversuch Ruhe gegeben. Manchmal sogar über mehrere Jahre. Und dann – sind die Symptome plötzlich wieder da. Der Basedow ist zurück.
In diesem Fall wird entweder erneut mit den Medikamenten behandelt oder eine OP/Radiojodtherapie durchgeführt. Ich habe von beiden Versionen gleichermaßen häufig gehört. Nach der OP hast Du natürlich „Ruhe“, aber dafür – auch abhängig davon, wie viel Schilddrüsengewebe entfernt wurde – eine lebenslange Unterfunktion. Mit den Medikamenten hättest Du die Chance, den Basedow erneut ruhigzustellen – allerdings mit dem Risiko, dass er eines Tages wiederkommt (man nennt diesen Zustand Rezidiv).
Mit jedem Rezidiv wird es übrigens wahrscheinlicher, dass dein Arzt Dir die operative/radioaktive Behandlung deiner Schilddrüse empfiehlt.

Es gesellen sich – manchmal trotz der Medikation – weitere Beschwerden dazu
Ja, manchmal entwickeln sich im Verlauf des Basedow selbst während der Hemmereinnahme neue Probleme. Allen voran: Haarausfall. Der tritt häufig mit zeitlicher Verzögerung auf. Gern auch dann, wenn die Werte eigentlich schon gut aussehen. Manchmal kommt auch eine Augenbeteiligung dazu (endokrine Orbitopathie). Oder Gelenkschmerzen. Oder, oder, oder. Je nachdem, wie schwer die Probleme sind, wird entweder die Medikation ergänzt/angepasst oder sogar eine OP in Erwägung gezogen.
Du hast nie bemerkt, dass Du mal einen Basedow hattest o.O
Gibt’s auch! Es gibt Menschen, bei denen wurden in einer Routineuntersuchung erhöhte TRAK festgestellt (die Antikörper, die den Basedow kennzeichnen). Es ist wahrscheinlich, dass diese einmal einen ganz leichten Verlauf hatten, mit so geringen Symptomen, dass sie es nicht für nötig hielten, zum Arzt zu gehen. In diesen Fällen beruhigte sich der Basedow wieder von selbst. Doch während bei den meisten von uns dafür medikamentöse Unterstützung nötig ist, ging das bei diesen Menschen ohne. Ein sehr zahmer Basedow, sozusagen 😉 Natürlich bleibt aber immer ein wenig Spekulation dabei – wenn der Betroffene nie beim Arzt war, hat man natürlich nie Gewissheit, dass er tatsächlich einst an einem aktiven Basedow gelitten hatte. Aber die Möglichkeit besteht.
Und sehr selten kann man auch erhöhte TRAK-Werte vorweisen, ohne einen nachweisbaren Basedow zu haben3.
Du hattest eine Fehldiagnose – und hast eigentlich gar keinen Basedow 🙂
Kann auch schonmal vorkommen! Häufig flackert beispielsweise bei Hashimoto-Patienten die Schilddrüsenfunktion vorübergehend auf. Das sieht dann häufig verdächtig nach einem Basedow aus! Nachzulesen mit Quelle in diesem Artikel).

Zum Schluss bleibt zu sagen …
Der Verlauf des Basedow ist bei jedem leicht anders, wie eingangs schon erwähnt. Wichtig war für mich immer, regelmäßig die Blutwerte überprüfen zu lassen und auf meinen Körper zu hören.
Scheue dich nicht, Dir auch mal eine Zweitmeinung einzuholen! Nicht jeder Arzt ist in der Behandlung von Schilddrüsenproblemen – besonders dem Basedow! – erfahren. Die Krankheit ist bei jedem Betroffenen beinahe so individuell wie sein Fingerabdruck, zumindest gewinne ich mehr und mehr diesen Eindruck. Aber stelle deine Medikation bitte nie ohne ärztliche Absprache ein!
Mit einer Wahrscheinlichkeit von 50 % (und ich persönlich denke, dieser Prozentsatz lässt sich mit wohlüberlegten, eigenen Unterstützungsmaßnahmen erhöhen) wird sich dein Basedow wieder beruhigen. Und zwar ohne OP und ohne, dass Du dein Leben lang auf Medikamente angewiesen sein wirst.
Und selbst wenn, so ist dies trotzdem eine Situation, mit der man ganz normal leben kann. Zwar mit Tabletten, aber an die gewöhnt man sich ebenso wie ans tägliche Wassertrinken.
In diesem Sinne: Keine Angst! 🙂
Und noch ein Tipp: Schau auch in den Interviews nach, wie andere ihren Basedow erlebt haben und erleben.
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Bitte beachte: Ich bin keine Ärztin, Heilpraktikerin oder dergleichen, also kein Fachmensch. Alle meine Beiträge basieren auf meinen eigenen Erfahrungswerten und über die Zeit gesammeltem Wissen.
- Vgl. Heufelder, E.; Hofbauer, C.; Hörmann, Rudolf: „Morbus Basedow: Neuester Stand zur Pathogenese, Diagnostik und Therapie“ unter: https://www.aerzteblatt.de/archiv/3510/Morbus-Basedow-Neuester-Stand-zur-Pathogenese-Diagnostik-und-Therapie (aufgerufen am 11.05.2022)
- Vgl. „Thyreotoxische Krise“ unter: https://flexikon.doccheck.com/de/Thyreotoxische_Krise#Operation (abgerufen am 11.05.2022)
- Vgl. Bender, Marion: Morbus Basedow – Alternativ behandeln und die Schilddrüse erhalten, Deutschland: Independently Published, 2020, S. 65., ISBN: 979-8664968927
Eine sehr unhysterische, umfassende und realitätsnahe Schilderung. Sehr hilfreiche und ausgesprochen gut strukturierte und verständliche Veröffentlichung. Beide Daumen hoch von einer selbst Betroffenen.
Danke dir, liebe Stefanie 🙂